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Macht der Community

2010 Januar 17

Anfangs Dezember 2009 präsentierte der Chef der Schweizer Uhrentraditionsfirma TAG Heuer mit stolz geschwellter Brust sein neu entwickeltes Uhrwerk, dass die Chronografen der neuesten Generation antreiben soll. Findige Uhrenfans entdeckten frappante Ähnlichkeiten zu einem japanischen Uhrwerk. Es stellt sich die Frage: Wer hat’s erfunden?

Grosse Fangemeinde

Die Liebhaber von schönen Zeitmessern sind eine verschworene Gemeinschaft und formieren sich in Internet-Foren zum Meinungsaustausch. Die Forums-Gruppen bestehen fast ausschliesslich aus männlichen Usern und die schätzen am einzig wahren Schmuck für Männer, der Uhr, die technische Raffinesse und die Präzision der Uhrwerke. TAG Heuer, die ihr 150-jähriges Bestehen feiert, war ziemlich überrascht von der Entdeckung der Internet-Gemeinde, was die Diskussion in den Uhrenforen weiter anheizte.

Stellungnahme des CEOs

Unter dem Druck der Internet-Community sah sich der CEO J.C. Babin gezwungen zum Vorzeige-Uhrwerk Caliber 1887 nochmals Stellung zu nehmen. Die Feststellung sei richtig, die Manufaktur TAG Heuer hat die Patente der japanischen Seiko Inc. für die Produktion in Europa erworben, hiess es darin. Dutzende Millionen Franken wurden investiert um das Uhrwerk und die Komponenten in der Schweiz zu produzieren, meinte Herr Babin dann weiter.

Swiss made – aber, …

Rein technisch gesehen hat TAG Heuer alles richtig gemacht. Das Uhrwerk wird in gewohnter Qualität und Genauigkeit das Label «Swiss made» tragen dürfen und mancher Käufer der Modelle mit dem Cal. 1887 wird niemals von der japanischen Verwandtschaft erfahren. Was jedoch hängen bleibt ist ein schaler Nachgeschmack bei den Liebhabern und Sammlern traditioneller Schweizer Luxusuhren. Der Uhrenkäufer geht bei einer sechs- bis siebentausend Franken-Uhr davon aus, dass auch das Uhrwerk in der Schweiz entwickelt wurde.

Profit tötet die Marke

Heuer gehört zum französischen Konzern LVMH, der über 50 Luxusmarken wie Louis Vuitton, Fendi, Kenzo, Moët & Chandon und Dom Pérignon besitzt. Selbst Hublot und Zenith, zwei weitere Schweizer Uhrenhersteller, sind im Besitz der Pariser Gruppe. Die Geschichte zeigt immer wieder, dass bei der Zugehörigkeit zu einem grösseren Firmen-Konglomerat der Anspruch an einen hohen Profit stetig wächst. Da bleibt nicht genügend Zeit für Forschung und Entwicklung und das Time-to-market steht im Vordergrund, dieser Interessenskonflikt provoziert hie und da solche Marken-Fehltritte.

Globalisierung der Marken

Welcher Mercedes-Fahrer macht sich Gedanken darüber, wie viel deutsche Ingenieurstechnik und Handwerkskunst noch in seinem Fahrzeug steckt? Die Globalisierung und mit ihr die Verteilung von Produktionen und Entwicklungen stellen für die Markenführung eine grosse Herausforderung dar. Die Kraft der Community und das Versprechen Swiss Made wurde von TAG Heuer unterschätzt und wird hoffentlich manchem Schweizer Uhrenhersteller eine Lehre sein. Denn der Mehrpreis für eine Schweizer Qualitätsuhr darf nicht über höhere Marketingkosten gerechtfertigt werden, sondern soll ein Mehrwert für eine echte und traditionsbewusste Handwerkskunst darstellen.

Mensch – Versprechen – Marke

Mit dem Label «Swiss Made» verspricht der Produzent einer Schweizer Uhr ein gewisses Mass an Schweizer Handwerkskunst. Im übertriebenen Sinne gleicht das Label einem Schwur, dem der Käufer vertraut und sich dadurch in seiner Investition sicher fühlt. Das hervorragende Image der Schweizer Uhrenindustrie baute sich über eine sehr lange Zeit auf, womit es dies auch entsprechend zu hüten gilt. Berichtet ein Ausländer über die Schweiz, nennt er Uhren, Berge und Schokolade im gleichen Atemzug. Von solchen Fehlentscheiden bekommt auch die Marke Schweiz was ab. Oder kann sich jemand vorstellen, dass Schweizer Schoggi mit japanischer Milch produziert wird?

Stein des Anstosses. Das neue Cal. 1887 von TAG Heuer (Bild: TAG Heuer)

Stein des Anstosses. Das neue Cal. 1887 von TAG Heuer (Bild: TAG Heuer)

2 Responses leave one →
  1. Max B permalink
    Juli 14, 2010

    Dieser Bericht mutet leider an als sei alles was nicht Swiss Made ist schei….
    Ich als Uhrensammler besitze viele Uhren aus Japanischer und Schweizerischer Fertigung 200 Stück.
    Seiko, Citizen, Orient sind reine Manufakturen Marken mit einer Fertigungstiefe von 99,5%. Sogar der Stahl wird selbstgegossen. Diesen Wert sucht man in der Schweiz vergebens. Alle 3 Marken verfügen über Uhrenlinien die bei 150 Euro beginnen und bei meheren Huderttausend Euro enden. Die Toplinien dieser Marken kriegt man nur in Japan, Singapure und China, und das mit Wartezeiten von mehren Jahren. Nach dem Motto weniger Marketing (Lügen) dafür tieferer Preis. GrandSeiko vergleicht mit Rolex, Audermars Piguet. Jedoch kosten die nicht einmal die Hälfte. Bei vielen GrandSeiko Uhren werden die Gehäuse in China grobgefertig. In Japan wird das Endfinish sowie der Schliff gemacht. Im Vergleich zu den Schweizern haben die Japaner kein Problem damit das auch auf dem Gehäuse einzugravieren. (zB Case Made in China – Finish Made in Japan).

  2. August 17, 2010

    Danke Max, für die kritischen Worte und die interessanten Informationen zu asiatischen Uhren. Bestimmt ist mein Blog-Beitrag von einer positiven Meinung zu Swiss Made geprägt. Ich bin da ganz deiner Meinung, es soll auf der „Verpackung“ stehen was drin steckt. Sonst ist die Marke nicht mehr glaubhaft und authentisch und genau um das ging es in meinem Beitrag.

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